Thomas Doss
Symphonie der Hoffnung
Fassung 2016symphonisches Blasorchester, Sopran- und Altstimme
nach einer Idee von Hans Mayr, Texten von Erich Fried, Mongo Stojka,
Michael Mooslechner und Robert Stadler
Werkbeschreibung
I. Krisis
Ende des Ersten Weltkriegs – die Atmosphäre ist spannungsgeladen. Die Menschen sind enttäuscht. Ohne Hoffnung. Ihre schmerzvollen Klagen sind überall zu hören. Wirtschaftskrise. Arbeitslosigkeit. Und dann? Die Abschaffung der Demokratie. Bürgerkrieg. Ständestaat. Diktatur. Die Nationalsozialisten finden immer mehr Anhänger.
Das St. Johann-Lied von Erich Fried begleitet diese Symphonie. All die schrecklichen Szenen werden hinterfragt, ergreifend, staunend, anklagend. St. Johann ist ein Beispiel – stellvertretend für das gesamte Dritte Reich.
Das nationalsozialistische Gedankengut schleicht sich unaufhaltbar in jeden Winkel des Landes ein - wie Ungeziefer.
Der Anschluss an Deutschland - "So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volk mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: ,Gott schütze Österreich!‘" - Bundeskanzler Kurt Schuschnigg am 11. März 1938.
Das „Horst Wessellied“ ertönt, wie eine diabolische Grimasse! Ein dämonisches Getöse! Das Kampflied der SA, die Hymne der NSDAP steht für Unterdrückung, Angst und Kälte. Bald gehören grauenhafteste Verbrechen an der Menschheit, an den Menschen zum Alltag.
Am 30. April 1938 findet auf dem Salzburger Residenzplatz die erste und einzige Bücherverbrennung in Österreich statt. 1200 Werke jüdischer Schriftsteller und Künstler werden von der Hitlerjugend ins Feuer geworfen. Stellvertretend für deren Autoren. Ebenso verbrennen die Schriften katholischer Publizisten und die der Politiker des „Ständestaates“.
Vom 9. auf den 10. November 1938 entlädt sich der hochgeschürte „Volkszorn“ in der „Reichskristallnacht“. Propagandaminister Goebbels hat die Ausschreitungen gegen die Juden befohlen. In dieser Nacht werden in Österreich alle jüdischen Bethäuser und Synagogen zerstört. Im Novemberpogrom werden jüdische Salzburger und Salzburgerinnen verhaftet und enteignet.
Auch in Hallein und Bad Gastein wird jüdisches Eigentum ruiniert. Betroffene berichten vom brutalen Eindringen der SS in ihre Wohnungen. 70 Halleiner und Gasteiner werden festgenommen und nach Dachau deportiert. Frauen und Kinder bleiben allein zurück. Am 12. November 1938 wird Salzburg für „judenrein“ erklärt. Propaganda! Es leben trotzdem noch jüdische Menschen hier.
Beim Bau der Tauernkraftwerke Kaprun im Jahr 1939 werden jüdische Zwangsarbeiter eingesetzt; manche Juden können sich erfolgreich verstecken. Und dann gibt es noch die sogenannte „Mischehe“, die Ehe zwischen jüdischen und „deutschblütigen“ Partnern… um zu überleben, wenigstens eine Zeit lang.
II. Tyrannis
Die Anspannung wird unerträglich. Und die Angst. Angst vor der Unmenschlichkeit. Vor der Barbarei. Mittendrin, mitten im Kriegsdonner erklingt die Melodie eines Volksliedes, das bis ins Kriegsgefangenenlager dringt. Beides können die Gefangenen hören.
Kriegsgefangenlager STALAG XVIII C, Markt Pongau:
Tausende Kriegsgefangene gehen im „Russenlager“ an Typhus zugrunde.
Beklemmende Stille. Grabesstille. Totenstille.
Rechts von der Bahn
waren Kriegsgefangenenlager:
Engländer, Schotten, Kanadier – nur wenige Tote.
Aber links von der Bahn,
da liegen fast alle noch da:
Jugoslawen, Russen, Ukrainer –
an 4000 Tote.
Verschieden die Sterblichkeit
rechts und links von der Bahn:
Die einen ernährt, wie es Recht war,
die andern verhungern lassen.
Deine rechte Hand hat nicht gewußt,
was deine linke Hand tat.
Sie will es auch heute noch nicht wissen,
St.Johann im Pongau.
Du hast Gras wachsen lassen,
über dem Gräberweg.
Roma und Sinti
werden verfolgt, verachtet, verhöhnt, ohne Mitleid, werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Ihr Schicksal ist mit dem der Juden in vielem vergleichbar. Mongo Stojka schreibt in seinem Buch „Papierene Kinder“:
“Auf der Hellerwiese in Wien-Favoriten wurden 1941 die familieneigenen Wohnwagen abgestellt. Am nächsten Morgen standen nur noch die leeren Wohnwagen auf dem Platz, die Insassen waren schon in Richtung Konzentrationslager verfrachtet worden.“
Sinti werden in der Stadt Salzburg zwischen 1940 und 1943 im so genannten „Zigeunerlager Maxglan“ interniert - rund 250 Personen fast aller Altersgruppen - schließlich in verschiedene Konzentrationslager gebracht und zum überwiegenden Teil dort liquidiert. Mehr als 300 Roma und Sinti aus Salzburg erleiden dieses Schicksal. In ganz Österreich werden von den Nationalsozialisten vermutlich 9.500 Roma und Sinti ermordet.
Aus der Familie von Harri Stojka überleben von den rund 200 Familien-mitgliedern lediglich 6 das Nazi-Regime. Ein stiller Protest: "Gelem, Gelem – die Hymne der Roma“
Der Kampf gegen die Euthanasie
Die Nationalsozialisten haben für die Massenermordungen zynische, harmlos klingende Bezeichnungen gewählt: „Euthanasie“ (guter Tod) oder „Aktion Gnadenhof“. Bekannt wird diese Aktion auch als „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ und „NS-Krankenmorde“. Das nationalsozialistische Euthanasieprojekt „T4“, die Tötung von Psychiatriepatienten und behinderten Menschen, fordert in Salzburg rund 500 Opfer. Ermordet werden sie zum überwiegenden Teil in Schloss Hartheim in Oberösterreich. Die Opfer stammen aus der „Landesheilanstalt für Geistes- und Gemütskranke“ Salzburg-Maxglan, der „Landesidiotenanstalt Konradinum“ in Eugendorf, der „Caritas-Anstalt St. Anton“ in Bruck an der Großglocknerstraße oder der „Versorgungsanstalt Schernberg-Schwarzach für Geistes-Sieche und Nervenkranke“.
Rund 19.000 Menschen werden in Schloss Hartheim allein im Rahmen der Aktion „T4“ ermordet – insgesamt fanden wahrscheinlich 30.000 NS-Opfer dort ihren Tod.
Widerstand gegen die „T4“- Vernichtungsaktion leistet vor allem die Schwester und Visitatorin Anna Bertha Königsegg (1883-1948) in Schernberg-Schwarzach. Ihr Engagement ist namentlich dokumentiert. Wie viel passiver Widerstand durch die Verhinderung von Anstaltsunterbringungen geleistet wurde, lässt sich nicht belegen.
Die Tragödie in Goldegg Weng (Böndlsee)
Die Zerschlagung der Goldegger Deserteursgruppe am 2. Juli 1944 durch ein großes Aufgebot von SS und Gestapo war eine der brutalsten Verfolgungshandlungen des NS-Regimes in einem ländlichen Gebiet der damaligen „Ostmark“. 14 Todesopfer waren zu beklagen, zusätzlich wurden über 20 Personen in Konzentrationslager verschleppt.. Zwei Söhne vom Unterdorf-Gut befinden sich auf Heimaturlaub und sind unschuldig ermordet worden. Zwei Schüsse zerreißen die Stille in der ländlichen Idylle. Der letzte Klang, den die beiden Burschen auf dieser Welt hören.
III. Katharsis
Das Ende der Diktatur ist spürbar, eine Brise der Hoffnung durchweht das Land.
Zuerst noch die Katastrophen. Vor dem 16. Oktober 1944 gab es immer wieder Fliegeralarm in der Stadt, dem aber keine Angriffe folgten. Die meisten Salzburgerinnen und Salzburger hofften, dass die Stadt Mozarts und der Festspiele verschont bleiben würden. Am 16. Oktober 1944 fallen die ersten Bomben auf die Stadt. Weil bisher „nie etwas passiert“ ist, sucht nur ein Teil der Bevölkerung in den Luftschutzeinrichtungen und Kellern Schutz. Und so fordert der erste Bombenangriff mit 245 Toten die meisten Opfer der insgesamt 15 Luftangriffe. Die Stadt bietet ein schockierendes Bild der Verwüstung. Zerstört oder stark beschädigt sind unter anderem die Domkuppel, zahlreiche Wohnhäuser im Kaiviertel, im Nonntal, in Itzling, das Bürgerspital und die Bürgerspitalskirche, das Salzburger Museum Carolino Augusteum, Mozarts Wohnhaus am Makartplatz und das Gebiet um den Hauptbahnhof. Die Besatzungsmächte bringen auch ihre Musik mit. Neue Töne, neuer Schwung. Und für die Menschen hierzulande gibt es eine neue Bundeshymne. Als Begleitmusik für den Wiederaufbau. - Eine dunkle Vergangenheit liegt hinter dem Land: „Was war das für ein Weg?“ Der Krieg ist zwar vorbei, aber der „verdrängte Nationalsozialismus“ schlummert weiter, in manchen, in vielen Köpfen.
Am Ende des 2. Weltkriegs liegt Europa in Trümmern und Millionen Menschen befinden sich weit entfernt von ihrer Heimat oder sind gezwungen, in dieser Zeit des politischen Umbruchs ihre Heimat zu verlassen. Eine zentrale Drehscheibe des Flüchtlingsstroms ist die Stadt Salzburg; hier treffen die Flüchtlinge über Wien und München ein. Der günstigste Weg nach Italien verläuft durch die amerikanische Besatzungszone, als Salzburg, über den Gerlospass nach Tirol, wo die Franzosen die Besatzungshoheit innehaben.
Eine neue Fluchtroute entsteht von Saalfelden nach Krimml, weiter über das Tauernhaus und das Windbachtal auf die Tauernhöhe. Auf der italienischen Seite geht es dann weiter ins Ahrntal nach Kasern. Von dort erreichen die Flüchtlinge über Meran Genua und somit die Mittelmeerküste. In Genua werden die Flüchtlinge auf eigens dafür angekaufte Schiffe verladen und bekommen Lebensmittel mit für die Reise in die neue Heimat.
Wir Menschen stehen im Zentrum. Gemeinsamkeit ist wichtiger als das Trennende. Intoleranz muss der Toleranz weichen.
Notenausschnitt mir Widmung
Notenbeispiel Sopran